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Wenn Rituale zum Zwang werden

Unser Alltag ist durch kleine ritualisierte Handlungen geprägt. Jeden Morgen im Halbschlaf in die Küche tapsen und den Kaffee zubereiten. Bei den alltäglichen, gewohnten Handlungen werden die immer gleichen Handgriffe dafür sorgen, dass die kleinen Dinge zuverlässig erledigt werden, ohne dass wir allzu darüber nachdenken zu müssen.

Und so sorgen die sich wiederholenden ritualisierten Abläufe dafür, dass der Alltag entspannt und zuverlässig wie mit Hilfe unseres internen Autopiloten gemeistert wird. Aber sicherlich hat uns alle schon mal eine Art Störung irritiert. Man verrichtet am Abend die üblichen gewohnten Dinge: Tür verschließen, Glas Wasser holen, Licht aus … doch dann überlegt man in der Dunkelheit: Hab ich auch wirklich die Tür verschlossen? Schnell noch mal nachsehen gehen. Und kaum liegt man im Bett, zweifelt man vielleicht daran, ob man die Tür wirklich ordentlich verschlossen hat. Und obwohl man schon langsam an seinem Verstand zweifelt, muss man noch einmal nachsehen – gefangen in einer Endlosschleife.

Leben in der Endlosschleife

Der Unterschied zwischen sinnvollen Alltagsritualen und einer Zwangerskrankung ist schmal, und doch eindeutig: Gewohnte ritualisierte Handlungsabläufe sind aufgrund ihrer zugrundeliegenden Pragamtik rational. Im Gegensatz dazu sind Zwangsgedanken und -handlungen hochgradig irrational. Sie erleichtern das Verrichten unseres Tagwerkes nicht, sondern erschweren es und verursachen Leidensdruck.

An häufigsten kommen tatsächlich Kontroll- und Waschzwänge vor. Osen, Spezialist für Zwangserkrankungen, nennt folgende Beispiele

Es gibt Menschen, die ihren Beruf wegen ihrer Zwänge aufgeben musste. Ein Bankangestellter beispielsweise, der unter einem Kontrollzwang litt, konnte keine Überweisungsformulare mehr ausfüllen, weil er sich ständig unsicher war, ob die Zahl nicht doch falsch geschrieben war. Durch das stundenlange Überprüfen schaffte er seine Arbeit nicht mehr. Es gibt auch Menschen, die bereits gefahrene Strecken mit dem Auto immer wieder zurückfahren müssen. Sie werden das Gefühl nicht los, dass sie jemanden überfahren haben könnten, ohne es zu merken.

Häufig sind Zwangshandlungen mit Zahlen verbunden, z.B. wenn ein Betroffener nach einer genau festgelegten Handlungsabfolge genau 23 mal überprüfen muss, ob er die Wohnungtür geschlossen ist.

Interessant ist, dass die Betroffenen in der Regel erkennen, dass ihre zwangstneurotischen Verhaltensweisen nicht der Situation angemessen, irrational sind.

Diagnostik einer Zwangsstörung

Nach dem ICD-10 gelten folgende diagnostische Leitlinien:

  • Die Zwangsgedanken oder zwanghaften Handlungsimpulse müssen vom Patienten als seine eigenen erkannt werden.
  • Mindestens gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine Zwangshandlung muss der Patient noch Widerstand leisten.
  • Der Zwangsgedanke oder die Zwangshandlung dürfen nicht an sich angenehm sein.
  • Die Zwangssymptome müssen sich in unangenehmer Weise wiederholen.
  • Die Symptomatik muss über mindestens 14 Tage an den meisten Tagen bestehen.

 

Quelle: ICD-10, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, F 42 Psychologie Heute, März 2007, Wie am Schnürchen

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

1 Kommentar

  1. Zwänge haben psychologische Gründe

    Wann immer in den Medien von Zwangserkrankungen die Rede ist, wird die Verhaltenstherapie als Therapie empfohlen. Wichtig erscheint mir der Hinweis, dass es psychologische Gründe dafür gibt, warum ein Mensch zwangskrank gibt. In einer psychoanalytischen Therapie wird nach dem “Warum” der Zwänge gefragt. Sobald die Zusammenhänge verstanden sind, lassen die Zwänge nach. Artikel hierzu: http://www.medizin-im-text.de/blog/?p=23.

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